Helga El-Kothany
„Niemand dachte, dass drei Jahre vergehen würden, bis man sich wieder sieht. Das gab es noch nie.“ Nicht nur Ilona Steinecke, stellvertretende Vorsitzende des Partnerschaftskomitees, hat sich diese durch die Pandemie verursachte Situation nicht vorstellen können. Aber nun sind rund 80 Gäste aus den vier Partnerstädten sowie eine kleine Delegation aus dem heute slowakischen und ehemals ungarischen Leles, nahe der ukrainischen Grenze, mit Bürgermeister Michal Zurbola angereist. Und bis auf ein halbes Dutzend sind alle auch diesmal wieder privat bei 32 gastgebenden Familien untergebracht.
Endlich können die bereits mehrmals verschobenen Jubiläen gefeiert werden: 25 Jahre Partnerschaft mit Castagnole delle Lanze, 15 Jahre mit Zbrosławice, 10 Jahre mit Tarnalelesz.
Nach einem entspannten Freitagabend in den Gastfamilien steht am Samstag zuerst die Eppinger Gartenschau auf dem Programm. Ein Highlight ist der Auftritt der polnischen Gruppe „Miedarzanie“ am Partnerschaftsstand, die mit ihren Liedern und Tänzen seit Jahren die Partnerschaftsfeste bereichert – in ihren farbenprächtigen Trachten eine Augenweide.
Mit der Europahymne eröffnet der Brackenheimer Musikverein, der den offiziellen Teil der Veranstaltung musikalisch umrahmt, den Festakt am Samstagabend im Bürgerzentrum. Für Thomas Csaszar ist es das erste große Fest als Bürgermeister. Er darf gleich drei Jubiläen auf einmal feiern und durch die Unterzeichnung von Urkunden die freundschaftlichen Verbindungen erneut besiegeln.
„Unsere Freundschaft ist kein niedergeschriebenes Dokument, keine Worthülse – nein, sie wird miteinander gelebt, erhalten und ausgebaut“, bekräftigt er in seinem Grußwort die besondere Situation der fünf „verschwisterten“ Kommunen. Und so steht der Abend ganz im Zeichen jahrzehntelanger persönlicher Freundschaften mit vielen unvergesslichen Momenten und Erlebnissen und eines friedlichen Miteinanders in einer großen europäischen Familie – ungeachtet spalterischer Tendenzen in zu vielen Ländern.
Der Bürgermeister erinnert daran, wie sich die deutsch-französische Partnerschaft nach und nach erweitert hat und an seine Antrittsbesuche in Charnay-lès-Mâcon und Zbrosławice. Letztere ist von Brackenheim und den anderen Kommunen unterstützt worden bei der Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge.
Wie durch verschiedene Aktionen die Partnerschaft auch in der Pandemie am Leben geblieben ist, führt Ilona Steinecke in ihrem Grußwort aus und erwähnt den Verlust, den das Komitee 2020 durch den Tod von Gerhard Weber und Dieter Buyer erfahren hat.
Brackenheims Partnerstädte
Der starke 5er-Bund, die Konstellation, die es so nicht oft gibt, wie Ilona Steinecke betont, beginnt 1978 mit der Partnerschaft mit Charnay-lès-Mâcon. Ab dem 5.5.1996 ergänzt Castagnole delle Lanze das Bündnis.
Als die Firma Afriso im oberschlesischen Zbrosławice eine Zweigstelle eröffnet, macht der polnische Ort Güglingen ein Freundschaftsangebot, was abgelehnt wird. Brackenheim springt ein und ist bis heute glücklich über diesen Entschluss. Am 3.5.2001 wird der Freundschaftsvertrag beschlossen.
Als letzte Partnerstadt kommt Tarnalelesz am 21.8.2010 dazu und ist aus dem 5er-Bund nicht mehr wegzudenken.
Kein Jubiläum ohne Torte! Nach den Grußworten der Bürgermeister Carlo Mancuso, Wiesław Olszewski, Béla Kovács und Claudine Gagneau als Stellvertreterin von Bürgermeisterin Christine Robin und der Unterzeichnung der Urkunden wird als letzter offizieller Akt an diesem Abend die dreistöckige Torte gemeinsam angeschnitten.
Mit einem Abendessen, einem weiteren Auftritt von Miedarzanie und Tanzmusik mit dem Duo Marcus & Bruno nimmt das Fest ein schwungvolles, sehr spätes Ende.
Andere Töne erklingen am Sonntagmorgen in der evangelischen Stadtkirche. Das Streicherensemble ehemaliger Schüler des Zabergäu-Gymnasiums und Gabriele Bender, Orgel, bereichern den ökumenischen Gottesdienst mit heiteren, verspielten Kirchensonaten von Mozart. Äußerst bewegend die Lieder von Miedarzanie. Beides auf ihre Weise Seelenmusik und passend zu Predigt und dem Nachruf von Martin Gerhäußer, ebenfalls stellvertretender Vorsitzender des Komitees, auf Gerhard Weber und Dieter Buyer, von denen man aufgrund der Pandemie bisher noch keinen gebührenden Abschnitt genommen hat.
Beide haben viele enge Freundschaften in allen Partnerstädten gepflegt und sich bis kurz vor ihrem Tod für alle Belange eingesetzt. Sie haben das Komitee inspiriert, die Marschrichtung vorgegeben in der Überzeugung, „dass, wo Freundschaft herrscht, es keinen Platz für Feindschaft gibt.“
Nach einen Abstecher zum Blasenbergfest kann sich die gesamte Partnerschaftsfamilie endlich an den Gräbern von den geschätzten Freunden verabschieden.
Bei Kaffee und Kuchen im Botenheimer Heimatmuseum endet ein harmonisches, fröhliches Wochenende, das man so lange herbeigesehnt hat – und das in so einer Vertrautheit stattfand, als hätte man sich gerade erst gesehen.